Im Dschungel der Zertifikate – Papier ist nicht gleich Papier
13 Millionen Hektar, etwa die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik Deutschland, werden jährlich durch Raubbau oder Rodung zerstört. Jeder zweite industriell gefällte Baum wird dabei zu Papier verarbeitet (Quelle: WWF Deutschland). Trotz fortschreitendem digitalen Zeitalter ist der Papierverbrauch nach wie vor hoch. Insbesondere Industriestaaten lassen den Papierverbrauch drastisch in die Höhe schnellen. In Deutschland liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch laut WWF Deutschland beispielsweise bei fast 250 Kilogramm. Damit verbrauchen die Deutschen so viel Papier wie die Kontinente Afrika und Südamerika zusammen. Die zunehmende Zerstörung der Wälder nimmt auch Einfluss auf unser Klima: Denn Wälder sind gigantische Kohlenstoffspeicher, sie regulieren das Klima und wirken wie riesige Klimaanlagen. Der anhaltende Waldverlust trägt dadurch maßgeblich zum Klimawandel bei. Höchste Zeit also, sich mit einer nachhaltigen Papierwirtschaft auseinanderzusetzen.
Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Verpackungen, Klopapier, Küchenrollen, Broschüren… – auf ihnen prangert heutzutage fast immer ein Label. Das soll Transparenz schaffen und Orientierungshilfe bei der Produktwahl sein. Selten hat man die Muße lange Produktbeschreibungen und Inhaltsangaben durchzugehen, denn sie verwirren oft mehr, als das sie aufklären. Durch ein Label, kann der Verbraucher das Produkt schnell einordnen, seinen Entstehungsprozess nachvollziehen und sich mit gutem Gewissen bewusst für ein Produkt entscheiden. Immer mehr Menschen in Deutschland achten darauf Produkte zu kaufen, die nachhaltig erwirtschaftet werden. Zertifikate erleichtert hierbei die Kaufentscheidung. Klingt in der Theorie gut… Die Praxis zeigt aber: Mittlerweile sind so viele Label auf dem Markt, dass man den Wald vor lauter Siegeln nicht mehr sieht: FSC, PEFC, der blaue Engel, EMAS, EU Ecolabel, Rainforest Alliance Certified, ÖKOPAplus… um hier nur die gängigsten zu nennen. Als Laie ist es fast unmöglich unter all den Labels den Überblick zu behalten und sich bewusst für eines zu entscheiden.
Zwei weit verbreitete, international anerkannte Zertifikate für holz- und papierverarbeitende Branchen sind FSC und PEFC. Beide setzen auf eine Zertifizierung der gesamten Produktkette und stellen somit sicher, dass ein Produkt auch tatsächlich aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Jedes Glied der Kette wird dabei untersucht – vom Waldbauer über das holzverarbeitende Unternehmen bis hin zum Einzelhandel. FSC ist die Abkürzung für Forest Stewardship Council und wurde in Folge der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1993 ins Leben gerufen. Die unabhängige Non-Profit-Organisation hat damit das erste Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldwirtschaft geschaffen. Um die genaue Kennzeichnung der Produkte zu ermöglichen bietet das FSC-System drei Kategorien an: 100% FSC, FSC Mix und FSC Recycled. Transparenz garantiert das ausführliche jährliche Audit, deren Ergebnisse öffentlich einsehbar sind. Das Programme for the Endorsement of Forest Certification, kurz PEFC, ist einige Jahre jünger als das FSC-Pendant (gegr. 1999). Mit PEFC setzt die Forstwirtschaft ein eigenes Zertifizierungssystem entgegen. Die Einhaltung der Standards zur Nachhaltigkeit werden jährlich geprüft und vor Ort stichprobenartig durch eine unabhängige Gesellschaft beurteilt.
Wer sich ausführlicher mit den einzelnen Zertifikaten beschäftigen möchte, findet auf den Seiten der großen Umweltorganisationen WWF und NABU oder dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland hilfreiche Tipps und Informationen. Beispielsweise hat der WWF 2016 einen Labelratgeber veröffentlicht. Er gibt Verbrauchern eine Orientierung und Entscheidungshilfe beim Kauf von Papier- und Holzprodukten. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IEFU) untersuchte dabei folgende Kriterien: 1. Erfüllt das Label ökologische (Wald, Wasser, Klima, Energie) und soziale Kriterien? 2. Wie sind die Zertifizierungssysteme ausgestaltet? (Unabhängigkeit, Kontrolle, Transparenz, Stakeholder-Partizipation, Beschwerde und Review-Mechanismen). Im Papierbereich konnten nur vier von zehn getesteten Labels als „Gute Wahl“ eingestuft werden, darunter das Umweltzeichen Blauer Engel und das Zertifikat FSC. Welche das noch sind, lesen Sie hier.